Mediendossier

Dossier: Psychische Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Jugendliche_Bild
Ein wesentlicher Grundstein für eine lebenslang anhaltende psychische Gesundheit wird im Jugendalter gelegt.

Die psychische Gesundheit ist ein zentraler Bestandteil des allgemeinen Wohlbefindens und der Lebensqualität von Jugendlichen. Sie beeinflusst nicht nur die individuelle Entwicklung, sondern auch die gesellschaftliche Teilhabe und Leistungsfähigkeit. Die Jugend oder Adoleszenz ist geprägt von einer starken körperlichen und sozialen Entwicklung. Das bringt viele Spannungsfelder mit sich. Je früher man lernt, die eigenen Ressourcen zu stärken, desto grösser ist die Chance, dass später Herausforderungen gemeistert werden können. 

Dieses Dossier beleuchtet die aktuelle Situation und die zentralen Einflussfaktoren zur Förderung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es liefert Einordnungen und Hintergrundinformationen, die für die Berichterstattung und Recherchen wichtig sind und zeigt zudem auf, welche Unterstützung Gesundheitsförderung Schweiz bietet.

FAQ


Wie hat sich die psychische Gesundheit von Jugendlichen in den letzten Jahren entwickelt?


Laut einem Bericht der UNICEF (United Nations Children’s Fund, 2023) befinden wir uns in einer Zeit der multiplen Krisen (z.B. Covid-19-Pandemie, Klima- und Energiekrise, Krieg), die sich negativ auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auswirken. Untersuchungen aus mehreren Ländern zeigen, dass seit der Covid-19-Pandemie eine deutliche Zunahme von Depressionen, Ängsten und anderen psychischen Problemen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verzeichnen ist. Dies ist ein langfristiger Trend, der schon vor der Covid-19-Pandemie begann und sich weiter fortsetzt. Die HBSC-Studie von 2022 bestätigt eine Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens bei Jugendlichen im Vergleich zu 2018, vor allem bei jungen Frauen. Dies wurde auch durch die Resultate der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2022 bestätigt: Insbesondere bei den jungen Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren ist die psychische Belastung von 19 % im Jahr 2017 auf 29 % im Jahr 2022 deutlich angestiegen.

Zu ähnlichen Daten kommt das Obsan Bulletin 11/2024:

  • Depressionssymptome haben zugenommen, insbesondere bei jungen Frauen im Alter von 15–34 Jahren (+62,7 % seit 2017).
  • 7,8 % der Schweizer Wohnbevölkerung waren im Jahr 2022 wegen psychischer Probleme in Behandlung, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer.
  • Die Hospitalisierungen aufgrund mutmasslicher Suizidversuche haben sich stabilisiert, bei Mädchen jedoch auf hohem Niveau.
  • Die Suizidrate bei Jugendlichen ist stabil, zeigt aber geschlechtsspezifische Unterschiede: Während sie bei Mädchen rückläufig ist, steigt sie bei Jungen tendenziell an.

Warum sind Mädchen und junge Frauen häufiger von psychischen Problemen betroffen?


Gemäss dem Bericht von Gesundheitsförderung Schweiz geht hervor, dass die psychische Gesundheit junger Frauen in der Schweiz vor allem durch die Faktoren Leistungsdruck und Stress, soziale Medien sowie Geschlecht und Geschlechterrollen beeinflusst wird:

  • Leistungsdruck und Stress: Junge Frauen in der Schweiz erleben signifikant mehr Stress als junge Männer. 56 % der weiblichen Jugendlichen und 72 % der Schülerinnen berichten von häufigem oder sehr häufigem Stress. Studentinnen sind mit 75 % besonders betroffen. Stress führt bei jungen Frauen verstärkt zu Erschöpfung, einem verminderten Selbstwertgefühl und Burnout-Gefühlen.
  • Selbstwirksamkeit: Junge Frauen zweifeln häufiger an sich selbst und empfinden im Vergleich zu jungen Männern eine geringere Selbstwirksamkeit– also das Gefühl, Herausforderungen aus eigener Kraft bewältigen zu können. Dieses niedrigere Selbstwirksamkeitserleben kann zu einem stärkeren Stressempfinden, innerer Unsicherheit und einem erhöhten Risiko für psychische Belastungen führen.
  • Soziale Medien: Obwohl soziale Medien Identitätsbildung und Gemeinschaftsgefühl fördern können, zeigen zahlreiche Studien einen Zusammenhang zwischen exzessiver Nutzung und psychischen Problemen wie Depression, Angst und Körperunzufriedenheit – insbesondere bei jungen Frauen.
  • Körperbild: Medien, Modewelt und Industrie vermitteln heutzutage häufig Idealbilder zu Aussehen und Körper, die nicht der Realität entsprechen. Noch nie war der Druck auf Jugendliche, «körperlich perfekt» zu sein, so gross wie heute. Sie setzen einen grossen Teil ihrer Energie dafür ein, dem heutigen, oft unerreichbaren Schönheitsideal zu entsprechen. Dies führt in hohem Mass dazu, dass Jugendliche ihren Körper nicht mehr richtig wahrnehmen und ihr Selbstwertgefühl untergraben wird.
  • Geschlecht und Geschlechterrollen: Traditionelle Geschlechterrollen können psychische Belastungen verstärken, insbesondere bei jungen Frauen in Ländern mit hohen Ungleichheiten. Paradoxerweise sind psychische Belastungen auch in Ländern mit hoher Gleichstellung ausgeprägt, was auf eine Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität hinweisen könnte.

Wie ist die Situation von jungen Männern?


Auf den ersten Blick scheinen junge Männer weniger von psychischen Problemen betroffen zu sein. Allerdings gilt es zu beachten, dass die Art, wie psychische Gesundheit erhoben wird, Einfluss auf das Ergebnis hat. Psychische Belastungen äussern sich bei ihnen oft anders – und werden durch gängige Erhebungsmethoden nicht ausreichend erfasst.

  • Die meisten Studien beruhen auf Selbsteinschätzungen. Doch junge Männer nehmen ihre Symptome oft weniger stark wahr oder benennen sie anders.
  • Männlichkeitsnormen („Ich darf keine Schwäche zeigen“) können dazu führen, dass Belastungen nicht oder beschönigt angegeben werden.
  • Psychische Belastungen zeigen sich bei jungen Männern oft anders: weniger in Form von Niedergeschlagenheit oder Grübeln, sondern eher durch Rückzug, Reizbarkeit, Schlafprobleme, riskantes Verhalten oder Suchtmittelkonsum.
  • Suizidraten sind bei Jungen tendenziell steigend – obwohl sie in Befragungen seltener angeben, sich belastet zu fühlen.

Welche Faktoren beeinflussen die psychische Gesundheit von Jugendlichen ganz generell?


Zu den zentralen Einflussfaktoren gehören:

  • Leistungsdruck und Stress: Hohe Anforderungen in Schule und Ausbildung können zu Überlastung und Erschöpfung führen. Daher ist Selbstwirksamkeit stärken wichtig!
  • Soziale Medien: Der Einfluss von Social Media auf das Selbstbild kann sowohl positiv als auch negativ sein, insbesondere bei jungen Frauen.
  • Geschlecht und Geschlechterrollen: Gesellschaftliche Erwartungen und geschlechtsspezifische Normen beeinflussen das Wohlbefinden von Jugendlichen.
  • Sozioökonomische Faktoren: Jugendliche aus finanziell benachteiligten Familien sind besonders gefährdet, da ihnen oft Ressourcen zur Stressbewältigung fehlen.
  • Übergangsphasen im Leben: Der Wechsel von der Schule in den Beruf oder von der Jugend ins Erwachsenenalter sind besonders sensible Phasen, in denen psychische Belastungen zunehmen können.

Wie wirken sich soziale Medien auf die psychische Gesundheit aus?


Instagram, TikTok, WhatsApp und Co.; soziale Medien sind aus dem Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht mehr wegzudenken. Gerade diese Zielgruppe verbringt besonders viel Zeit am Smartphone und in sozialen Netzwerken. Soziale Medien bieten einerseits Möglichkeiten zur Vernetzung und Identitätsbildung, andererseits können sie durch Vergleiche, Cybermobbing und unrealistische Schönheitsideale zu einem negativen Selbstbild und erhöhtem Stress führen.

Weiterführende Informationen zur Thematik:

  • Jugend und Medien: Dossier zu sozialen Medien
  • Prevention.ch: Digitale Medien und psychische Gesundheit von Jugendlichen
  • Pro Juventute : Weiterführende Informationen zum Thema digitale Medien.
  • Sucht Schweiz : Leitfaden “Digitale Medien - mit Jugendlichen darüber sprechen”
  • Apprentice: Sozialen Medien im beruflichen Kontext (in der Lehre)
  • ZHAW Medienkompetenz: Broschüre zu dem Thema “Medienkompetenz: Empfehlungen zum Umgang mit digitalen Medien” bei Kindern und Jugendlichen
  • Schau hin: Fundiertes Wissen zur Mediennutzung
  • Netpathie: Schaffen Bewusstsein für die digitale Welt und vernetzen Eltern, Fachpersonen und Interessierte zu den Themen Umgang und Sicherheit im Netz, respektvolle Kommunikation und mentale Gesundheit.
  • Feel-ok: Bietet ein internetbasiertes Interventionsprogramm für Jugendliche, u.a. zu dem Thema Onlinesucht


Welche Rahmenbedingungen fördern die psychische Gesundheit von Jugendlichen?


Damit Jugendliche psychisch gesund aufwachsen können, braucht es gezielte Massnahmen in verschiedenen Lebensbereichen. Die wichtigsten Hebel sind:

  • Psychische Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Verantwortung: Schulen, Familien, Arbeitgeber und die Politik müssen gemeinsam handeln, um Jugendliche zu unterstützen. Die Förderung von Resilienz und Selbstbewusstsein sollte nicht nur im Elternhaus, sondern auch in Schulen und Freizeiteinrichtungen ein fester Bestandteil sein.
  • Gesunde Schule und Arbeitswelt: Schulen können mit Programmen zur Stressbewältigung, psychischer Gesundheit und Medienkompetenz präventiv wirken. Auch Lehrpersonen brauchen Unterstützung, um psychische Belastungen bei Jugendlichen frühzeitig zu erkennen und angemessen zu reagieren. Ausbildungsbetriebe sollten gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen schaffen, um übermäßigen Druck zu vermeiden.
  • Niederschwellige und frühzeitige Unterstützung: Psychologische Beratung und Hilfsangebote müssen einfach zugänglich sein – sowohl digital als auch vor Ort. Kurze Wartezeiten und anonyme Unterstützungsangebote wie Chatplattformen oder Hotlines helfen, Hemmschwellen zu senken.
  • Einbindung der Jugendlichen (Faktenblatt zu Partizipation): Jugendliche sollten in die Gestaltung von Präventions- und Unterstützungsangeboten einbezogen werden. Programme sind erfolgreicher, wenn sie die Lebensrealität der Jugendlichen berücksichtigen und ihre Perspektiven einbeziehen.
  • Gesellschaftliche Anerkennung von psychischer Gesundheit: Um Stigmatisierung zu verhindern, muss psychische Gesundheit als genauso wichtig wie körperliche Gesundheit betrachtet werden. Offene Kommunikation über psychische Belastungen – in Schulen, Familien und Medien – trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen und Betroffenen den Zugang zu Hilfe zu erleichtern.

Diese Rahmenbedingungen helfen, psychische Gesundheit nicht nur im Notfall, sondern präventiv zu fördern – und langfristig die Lebensqualität junger Menschen zu verbessern.


Was für Massnahmen setzt Gesundheitsförderung Schweiz konkret für die Förderung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen um?


Alle Massnahmen von Gesundheitsförderung Schweiz zur Förderung der psychischen Gesundheit dienen dem Ziel, die Ressourcen des Umfelds sowie des Individuums zu stärken. Dabei setzen die Massnahmen primär an den Verhältnissen und Strukturen an, um durch die Schaffung gesundheitsförderlicher Umwelt- und Lebensbedingungen die Gesundheit von Jugendlichen zu fördern.

Hier einige Beispiele von der Stiftung unterstützen Massnahmen:

  • Sensibilisierung für psychische Gesundheit durch Kampagnen wie «Wie geht es dir?» und «SantéPsy» sowie Bildungsangebote.
  • Unterstützung von Schulen, Familien und Ausbildungsstätten bei der Schaffung eines gesunden Umfelds. Zum Beispiel durch die Umsetzung von Programmen wie Schule handelt zur Stärkung der psychischen Gesundheit von Lehrpersonen und Schüler*innen. Aber auch durch das Angebot Apprentice im Bereich betriebliches Gesundheitsmanagement, das speziell Berufsbildende und Lernende unterstützt.
  • Zusammenarbeit mit Kantonen im Rahmen der Kantonalen Aktionsprogramme (KAP), die gezielte Massnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ermöglichen. In der Orientierungsliste finden Schulen, Gemeinden und Kantone Projekte und Massnahmen guter Praxis zur Unterstützung. 
  • Unterstützung sprachregionaler Kampagnen zur Bewusstseinsbildung, z. B. über www.ciao.ch und www.feel-ok.ch.

Wie steht es um die psychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen?


In der Schweiz sind Kinder und Jugendliche von einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Unterversorgung betroffen. Der Bund hat den politischen Auftrag, die Situation in Bezug auf die psychische Gesundheit in der Schweiz zu untersuchen und zu verbessern. Diese Ziele verfolgt er, indem er einerseits die psychische Gesundheit der Bevölkerung fördern und andererseits die psychiatrische Versorgung erkrankter Menschen verbessern will.

Informationen zu den Massnahmen finden Sie auf der Website des Bundes


Wo finden Jugendliche oder Angehörige Unterstützung?


Es gibt zahlreiche Anlaufstellen in der Schweiz, darunter:

  • 147.ch: Wenn Jugendliche über Wochen niedergeschlagen sind oder in äusseren Schwierigkeiten, verschwiegen, kostenlos, 24/7
  • beratungsstellen.147.ch: Hier finden Sie weitere Beratungsstellen
  • kopfhoch.ch: Online Beratung - Wirf einen Notanker
  • feel-ok.ch: Hilfsangebote, gute Websites und coole Ideen für Jugendliche
  • Ciao.ch: Völlig anonym mit den anderen Mitgliedern der ciao.ch-Community diskutieren und ihnen Fragen stellen (nur in Französisch vorhanden)
  • Elternberatung 24/7: Mit der Elternberatung unterstützt Pro Juventute Eltern und Bezugspersonen bei kleinen und grossen Sorgen
  • elternnotruf.ch: Beratung für Eltern und Bezugspersonen 24/7
  • www.kinderseele.ch: Kinder psychisch kranker Eltern 
  • www.mamatrinkt.ch: Kinder alkoholabhängiger Kinder
  • stand-by-you.ch: Angehörige psychisch Erkrankter