Gesundheitsförderung bei älteren Menschen

ReliÂges: Ein Projekt von und für ältere Menschen in den Gemeinden

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Wie können für die Gemeinden Anreize geschaffen werden, um die Isolation älterer Menschen zu verhindern und ihre soziale Integration durch Unterstützungsnetzwerke zu erleichtern? Das zwischen 2017 und 2022 im Kanton Neuenburg durchgeführte Pilotprojekt ReliÂges wird dank seiner Erfolge und dem in diesem Artikel vorgestellten partizipativen und kollaborativen Ansatz weitergeführt.
23.06.2023, 07:59

Das Projekt ReliÂges wurde 2017 im Kanton Neuenburg unter Mitwirkung von älteren Menschen, lokalen Akteuren und Gemeindebehörden gestartet. Ziel ist es, die Isolation älterer Personen zu verhindern und ihre soziale Integration zu erleichtern, indem kleine Unterstützungsnetzwerke und die Kompetenzen der Gemeinden in der Gesundheitsförderung gestärkt werden.

Wie kann das Wohlbefinden von Menschen im Rentenalter in ihrer Gemeinde verbessert werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich das partizipative Projekt ReliÂges, das vom Kanton Neuenburg initiiert wurde und bis Ende 2022 lief. Die Ziele wurden weitgehend erreicht. Drei Pilotgemeinden (La Grande Béroche, Neuchâtel, Val-de-Ruz) haben ihren eigenen Aktionsplan ausgearbeitet und einige der Massnahmen, welche gemeinsam mit den Seniorinnen und Senioren identifiziert wurden, im Hinblick auf die Umsetzung weiter ausgearbeitet. ReliÂges bietet zudem allen Gemeinden des Kantons einen Katalog mit konkreten Massnahmen zur Vorbeugung von Einsamkeit, zur Bekämpfung der sozialen Isolation und zur Verbesserung der Lebensqualität älterer Menschen an.

Partizipativer und interdisziplinärer Ansatz

Der partizipative und interdisziplinäre Ansatz zur Entwicklung der breiten Palette von Massnahmen stellt ein zentraler Erfolgsfaktor des Projekts dar. In einem ersten Schritt wurden ältere Personen befragt, um herauszufinden, wie ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben aufrechterhalten und gefördert werden kann.

Die Situationsanalyse wurde anschliessend dem geographischen Institut der Universität Neuenburg anvertraut. Im Rahmen der Analyse wurde nicht nur die physische Umgebung (z. B. Zugangsbarrieren im öffentlichen Raum) beobachtet, analysiert und dokumentiert, sondern auch die lokalen Ressourcen, welche die soziale Bindung fördern. Diese wurden in Zusammenarbeit mit den regionalen Akteuren identifiziert. Über Pilote in den sehr heterogenen Gemeinden und im Austausch mit den am stärksten isolierten Seniorinnen und Senioren wurde eine Bestandesaufnahme von Aktivitäten, Hindernissen und Ressourcen gemacht.  

Ein Teil der Projektumsetzung wurde an eine Organisation ausgelagert, die darauf spezialisiert ist, Gemeinden bei der Ausarbeitung kommunaler Strategien zu unterstützen. Objectif:ne wurde damit beauftragt, die Verbindung zu den Gemeindebehörden herzustellen und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie für jede Gemeinde in Kooperation mit betroffenen älteren Menschen in einen Aktionsplan zu übersetzen.

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Massnahmenkatalog

Zum Massnahmenkatalog, der auf die Bedürfnisse und Beteiligung älterer Menschen am Gemeindeleben ausgerichtet ist, wurden Karten für unterschiedliche Themenbereiche entwickelt: Institutionen, kulturelle und künstlerische Aktivitäten, Austausch- und Begegnungsaktivitäten, Raumplanung, Geschäfte, Mobilität, Sport und öffentliche Gesundheit. Jede Kartei beschreibt die verfolgten Ziele, die Rolle der Gemeinde, die beteiligten Partner, Finanzierungsaspekte und Referenzen in diesem Bereich. Als Beispiel kann die Bewertung von Spazier- und Wanderwegen erwähnt werden, um Gemeinden zu unterstützen, die Fusswege zugänglicher, sicherer und angenehmer zu gestalten. Ein anderes Beispiel ist die Integration einer Seniorin oder eines Seniors in eine Schulklasse, um die Beziehungen zwischen den Generationen zu fördern und die Lebenskompetenzen jeder einzelnen Person zu unterstützen.

Ausgewählte Beispiele

Auf der Grundlage des Massnahmenkatalogs haben die Pilotgemeinden verschiedene Aktionen durchgeführt, um den von älteren Menschen geäusserten Bedürfnissen gerecht zu werden. So wurden ehemalige Schulräume zu einem Treffpunkt für alle umgenutzt. Es besteht die Möglichkeit, gemeinsam Mahlzeiten zuzubereiten und zu teilen, wodurch der soziale Zusammenhalt gestärkt wird. Zudem wird in diesem Jahr ein Ausbildungskurs organisiert, um den digitalen Graben zu reduzieren. Ältere Menschen werden von einem auf diesem Bereich spezialisierten Verein betreut und können sich mit der Nutzung eines Smartphones oder Tablets vertraut machen. Seit 2021 werden in einigen Quartieren auch Kochworkshops angeboten, bei denen Tipps für eine gesunde Ernährung gegeben werden. Ein weiteres Angebot ist ein wöchentliches Begegnungscafé in einem Wohnhaus für Rentnerinnen und Rentner mit geringem Einkommen.

Innovative Zusammenarbeit

Das Projekt wurde von einer externen Stelle evaluiert. Einer der wichtigsten Schlüsselfaktoren für den Erfolg ist die innovative Zusammenarbeit zwischen dem kantonalen Gesundheitsamt, der Universität Neuenburg, den Gemeinden und den verschiedenen Nichtregierungsorganisationen. Die Zusammenarbeit – Hand in Hand – zwischen Kanton und Gemeinden erlaubte den Aufbau mehrerer kleiner Netzwerke. Es wurde sichergestellt, dass alle Massnahmen isolierte ältere Menschen oder solche, die Gefahr laufen, isoliert zu werden, ansprechen. Der Massnahmenkatalog stellt ein konkretes Instrument dar, welches die Gemeinden ins Zentrum des Projekts stellt. Auf dieser Grundlage kann eine Gemeinde die relevantesten Massnahmen auswählen, die auf ihre eigenen Besonderheiten und die vorhandenen Akteure abgestimmt sind. Die Gemeindebehörden sind sich auch der Herausforderungen der Alterung der Bevölkerung besser bewusst. Sie werden dazu motiviert, etwas gegen jene Faktoren zu unternehmen, die zur sozialen Isolation ihrer Bevölkerung beitragen. Die Begleitung durch einen spezialisierten Partner schafft angesichts der knappen finanziellen und personellen Ressourcen einen klaren Mehrwert.

Verstetigung des Projekts

Im Hinblick auf die Weiterführung von ReliÂges wurde auch Verbesserungspotential identifiziert. Dazu gehört die Schaffung eines (Auto-) Evaluationssystems für die Gemeinden. Über die Definition und klaren Zielen und Indikatoren sollen sie in die Lage versetzt werden, die Wirkungen ihrer Massnahmen zu erfassen. Dies soll ihnen ermöglichen, ihre Interventionen passgenau auf die jeweilige Zielgruppe und die gewünschte Wirkungsebene anzupassen. Um auf die häufigen Änderungen im politischen Kontext reagieren zu können, müssen die Informations- und Schulungsmassnahmen weitergeführt werden. Um den Gemeinden die Auswahl zu erleichtern, sollen die bestehenden Karten zu den Handlungsfeldern künftig digitalisiert werden. Über die Teilnahme an einer Ausschreibung können sich die Gemeinden um Mittel bewerben.

Kontakt

Marie-France Vaucher, wissenschaftliche Mitarbeiterin 65+
Departement für Finanzen und Gesundheit, Kantonales Amt für Gesundheit, Kanton Neuenburg
Telefon: 032 889 52 08