Gesundheitsförderung bei älteren Menschen

Projekt «Lokal vernetzt älter werden»

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Damit ältere Menschen möglichst lange ein selbstständiges Leben bei guter Lebensqualität führen können, sind gut funktionierende soziale Netzwerke in Gemeinden oder Quartieren von grosser Bedeutung. In einem Projekt entwickelten sieben Gemeinden sowie Quartiere im Kanton Zürich zusammen mit Seniorinnen und Senioren Angebote zur Stärkung der sozialen Ressourcen im Alter.
27.03.2024, 13:18

Die Vorteile sozialer Netzwerke

Viele ältere Menschen haben das Bedürfnis, sich mit anderen Menschen zu treffen, sich gegenseitig zu helfen und gemeinsam etwas zu erleben. Kurse, Nachbarschaftshilfen, Mittagstische oder Treffpunkte sind Beispiele für Angebote, welche dieses Bedürfnis erfüllen. Für Städte, Gemeinden und Quartiere lohnt es sich, in die Entwicklung sozialer Netzwerke zu investieren. Damit können die Lebensqualität der älteren Bevölkerung und deren psychische und physische Gesundheit gestärkt und Gesundheits- und Pflegekosten gesenkt werden.

Die Ziele des Projekts

Zwischen 2020 und 2023 setzten sieben Gemeinden im Kanton Zürich das Projekt «Lokal vernetzt älter werden» um. Das Projekt hat zum Ziel, soziale Netzwerke in Quartieren, Gemeinden und Städten aufzubauen oder zu erweitern. Die ältere Bevölkerung soll sich aktiv an diesem Prozess beteiligen. Ein besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet, dass sich auch sozial wenig integrierte Menschen einbringen können und dass ihren Bedürfnissen Rechnung getragen wird. Auf kommunaler Ebene soll erreicht werden, dass bessere Rahmenbedingungen für ein selbstständiges Leben im Alter geschaffen werden. Zudem sollen der Austausch und die Vernetzung der lokalen Fachpersonen sowie die Koordination der bestehenden Angebote gefördert werden.

Die Zusammenarbeit verschiedener Akteure

Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich (PG ZH) koordiniert im Auftrag der Gesundheitsdirektion Kanton Zürich «Lokal vernetzt älter werden». Die Schweizerische Gesundheitsstiftung RADIX unterstützt PG ZH als Umsetzungspartner. Die Gemeinden stellen die Ressourcen für die lokale Projektleitung zur Verfügung. Eine externe Fachperson beispielsweise von Pro Senectute oder den regionalen Suchtpräventionsstellen begleitet die Gemeinden nach Bedarf im Rahmen von maximal zwanzig Arbeitstagen. Lokale Projektumsetzenden wurden mit verschiedenen Massnahmen unterstützt: Kick-off-Sitzung, vier halbtägige Seminare, vier Intervisionsgefässe zum Austausch mit den Projektbegleitungen sowie Informationsmaterial und Vorlagen.

Mitwirkungsanlass für die ältere Bevölkerung

Jede Gemeinde führte einen bis zwei Mitwirkungsanlässe mit je 50 bis 100 Teilnehmenden durch. Eingeladen war die ältere Bevölkerung der Gemeinde bzw. des Quartiers. Mithilfe der Methode «Zukunftswerkstatt» gingen die Teilnehmenden der Frage nach: Was braucht es in unserer Gemeinde bzw. in unserem Quartier, damit wir als Seniorinnen und Senioren bis ins hohe Alter zu Hause leben können? An diesen Mitwirkungsanlässen hatten die älteren Menschen die Gelegenheit, ihre Bedürfnisse, Ideen und Visionen für eine attraktive Wohnortgestaltung im Alter einzubringen, so zum Beispiel bei Themen wie Selbstständigkeit, Mobilität sowie Gesundheitsförderung und Prävention im Alter.

Projektentwicklung in Arbeitsgruppen

Die Teilnehmenden konnten sich über den Mitwirkungsanlass hinaus für das Zusammenleben in ihrer Gemeinde engagieren. Ein Teil der Seniorinnen und Senioren entwickelte in Arbeitsgruppen mehrheitlich in eigener Verantwortung die Projektideen weiter. Pro Gemeinde entstanden zwischen drei bis fünf Arbeitsgruppen. Insgesamt setzte die ältere Bevölkerung in den sieben teilnehmenden Gemeinden beziehungsweise Quartieren 31 Projekte um in den Themenbereichen Kommunikation, gemeinschaftliche Aktivitäten, Neues lernen, altersgerechte Infrastruktur und Unterstützungsangebote. Die mitwirkenden Seniorinnen und Senioren schätzten die Zusammenarbeit in den Arbeitsgruppen sowohl zwischenmenschlich als auch fachlich. Es bereitete ihnen Freude, ihre Interessen einzubringen und die Früchte ihrer Arbeit zu sehen.

Abschlussveranstaltungen für die Öffentlichkeit

Etwa ein Jahr nach dem Mitwirkungsanlass luden die Gemeinden zu einer öffentlichen Abschlussveranstaltung ein. An diesem Anlass präsentierten die Mitglieder der Arbeitsgruppen ihre Projekte und berichteten über ihre Erfahrungen. Vertreterinnen und Vertreter aus politischen Behörden würdigten die geleistete Arbeit. Mit Musik, Gesang und Verpflegung wurde ein festlicher Rahmen geschaffen. In den Gemeinden besuchten zwischen 50 und 100 Personen die Abschlussanlässe.

Einbezug vulnerabler Personen

Das Projekt «Lokal vernetzt älter werden» hat zum Ziel, die Bedürfnisse sozial wenig integrierter älterer Menschen eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Gemeinden versuchten mit verschiedenen Massnahmen, vulnerable Menschen zu erreichen und einzubeziehen. Sechs Gemeinden riefen Fokusgruppen ins Leben. Mitwirkende dieser Fokusgruppen waren lokale Fachpersonen. Sie unterstützten und berieten die Projektleitung rund ums Thema «vulnerable Zielgruppen» und erarbeiteten spezifische Methoden, um vulnerable Menschen für eine Teilnahme am Mitwirkungsanlass zu erreichen. Mitglieder der Fokusgruppen nahmen persönlich Kontakt auf mit solchen Menschen. Dadurch gelang zum Teil der Einbezug von hochaltrigen Menschen, Menschen mit einer Hör- und/oder Sehbeeinträchtigung, Menschen mit einer körperlichen Behinderung, demenzkranke Menschen sowie vereinzelt fremdsprachigen Menschen bei den Mitwirkungsanlässen. Bei der Organisation der Mitwirkungsanlässe wurde darauf geachtet, dass er für vulnerable Menschen zugänglich war. Die Gemeinden organisierten Fahrdienste sowie Betreuung für erkrankte Angehörige. Vor Ort gab es Dolmetscherinnen und Dolmetscher, welche für Personen mit Hörbeeinträchtigung in Gebärdensprache oder für fremdsprachige Menschen übersetzen konnten.

Wirkung des Projekts

Die Umsetzung von «Lokal vernetzt älter werden» hat sich in vieler Hinsicht positiv auf das Leben der älteren Bevölkerung in ihrem Wohnumfeld und auf die Gemeinde selbst ausgewirkt. So hat sich beispielsweise die Sichtbarkeit des Themas Alter und der älteren Menschen in den mitwirkenden Gemeinden erhöht und es fand eine Differenzierung des Altersbildes statt. Das Thema Alter wurde ausserdem überall als fester Bestandteil in die politische Agenda integriert. Auch der partizipative Ansatz sowie die Selbstbefähigung der Bevölkerung kann positiv bewertet werden. Die Sensibilisierung für den Einbezug vulnerabler Personengruppen wurde in den Gemeinden erhöht. Die Mitwirkenden konnten neue Kontakte schliessen und der gesellschaftliche Zusammenhalt wurde gestärkt. Das Projekt hat Diskussionen angestossen und die Bevölkerung zu mehr Mitwirkung motiviert. Die Projektleitenden hörten der älteren Bevölkerung zu und diese nahm das auch so wahr.

Faktoren für die erfolgreiche Durchführung der Projekte

Mehrere Faktoren trugen dazu bei, dass die Projekte erfolgreich durchgeführt werden konnten: die Motivation und das Engagement der Projektleitung, das Mitwirken der Politik beziehungsweise der Behördenmitglieder und der lokalen Akteure sowie die Vernetzung unter den Mitgliedern der Arbeitsgruppen. Ebenfalls wichtig war, dass die Gemeinden ausreichende zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen konnten, eine breite Kommunikation von Beginn an, Begleitung der Arbeitsgruppen nach Bedarf sowie ein Empowerment der Arbeitsgruppen.

Herausfordernde Situationen

Bei der Durchführung einzelner Projektabschnitte gab es auch herausfordernde Situationen. So waren die Teilnehmenden bei den Mitwirkungsanlässen und in den Arbeitsgruppen zum Teil überfordert. In einigen Arbeitsgruppen wurde der Fokus zu stark auf das Negative gelegt. Zum Teil gab es Probleme in der Gruppenleitung, weil das Briefing zu Beginn ungenügend war. Anspruchsvoll war ausserdem, dass die Anzahl der Teilnehmenden an den Mitwirkungsanlässen unvorhersehbar war und damit auch die Grösse des Anlasses. Auch bei den Abschlussveranstaltungen gab es Herausforderungen zu bewältigen. Zum Teil gab es Abweichungen zwischen geplanten und effektiven Anmeldungen und entsprechend zu wenig Budget. Vereinzelt fühlten sich die Freiwilligen der Arbeitsgruppen zu wenig wertgeschätzt.

Multiplikation des Projekts

Das Projekt wird aktuell in den Kantonen Graubünden und Schwyz in sehr ähnlicher Form umgesetzt. Die Schweizerische Gesundheitsstiftung RADIX begleitet mit dem Angebot «Gemeinsam handeln im Alter» weitere Kantone und Gemeinden bei der Konzipierung und Umsetzung von Mitwirkungsprozessen im Altersbereich. RADIX bietet in der Multiplikationsphase von 2024 bis 2026 Unterstützung und fachliche Begleitung an. Die bestehenden Materialien können verwendet und auf die Bedürfnisse der einzelnen Gemeinden oder Kantone angepasst werden. Im Kanton Zürich wird das Projekt ins Kantonale Aktionsprogramm «Prävention und Gesundheitsförderung im Alter» integriert und bereits in weiteren Gemeinden umgesetzt.

Kontakt

Manuela Kobelt

Programmleitung Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich
manuela.kobelt@uzh.ch
+41 44 634 47 84