Gesundheitsförderung bei älteren Menschen

Netzwerk zur Unterstützung älterer Menschen: Förderung von Bindungen zur Stärkung der Gesundheit

.
Soziale Isolation ist ein Gesundheitsrisiko, das sich mit zunehmendem Alter verstärkt. Das Projekt «Réseau de soutien aux seniors» zeigt, wie unterschiedliche kommunale und individuelle Ressourcen genutzt werden können, um in den Gemeinden eine Vielfalt an bedarfsgerechten Angeboten zu schaffen, die sowohl die lokalen Besonderheiten als auch ganzheitlich Fragen des Alterns berücksichtigen.
01.02.2024, 09:50

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko sozialer Isolation deutlich an und kann sich auf den Gesundheitszustand und die Lebensqualität älterer Menschen auswirken. Soziale Isolation kann unter anderem an der Grösse des sozialen Netzes gemessen werden (BFS, 2006). Der Verlust der Ehepartnerin oder des Ehepartners, der Tod von Freund*innen und die Entfernung der Kinder sind altersbedingte Faktoren, welche die Grösse des sozialen Netzwerks reduzieren und somit die Lebensqualität älterer Menschen beeinträchtigen.

Die Gemeinden können eine zentrale Rolle spielen! Sei es, um die Ursachen von Isolation und Verletzlichkeit zu identifizieren. Oder um auf lokaler Ebene aktiv zu werden, um soziale Bindungen zu erhalten und damit die Lebensqualität älterer Menschen zu fördern. Die kommunale Ebene erweist sich in der Tat als besonders geeignet, um verschiedene relevante Initiativen umzusetzen, welche die gemeinschaftlichen Bindungen stärken. Gemeinden eigenen sich als Setting, um sich aktiv für die Aufrechterhaltung der sozialen Bindungen einzusetzen.

Gemeinden engagieren sich mit Unterstützung von RADIX

Die Gemeinden arbeiten mit begrenzten Ressourcen in einer Vielzahl von Aufgabenbereichen. Vor diesem Hintergrund bietet die Schweizerische Gesundheitsstiftung RADIX Unterstützung bei der Umsetzung von Projekten im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention. In einer dreijährigen Pilotphase, die von Gesundheitsförderung Schweiz unterstützt wurde, haben drei Westschweizer Gemeinden unterschiedlicher Grösse und aus verschiedenen Kantonen das Thema der sozialen Isolation und der Lebensqualität im Alter ins Zentrum ihrer Prioritäten gestellt.

Drei Pilotgemeinden in drei verschiedenen Kantonen

Es ist 9 Uhr morgens. Sabrina Babecki, soziokulturelle Animatorin in Riddes, sitzt vor ihrem Computer und hat sich mit dem RADIX-Team verabredet. Auf dem Programm steht die Auswertung der Interviews, die im Rahmen des Projekts «Réseau de soutien aux seniors» unter dem Namen «DéRidd'âge» durchgeführt wurden. In der kleinen Walliser Gemeinde hat eine von der soziokulturellen Animatorin koordinierte Arbeitsgruppe alle Personen über 65 Jahre erfasst. Alle Personen, die keinem Mitglied der Arbeitsgruppe bekannt waren, wurden angeschrieben. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe besuchten dann alle «unbekannten» Personen in der Gemeinde, um ihre Aktivitäten vorzustellen und sicherzustellen, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Diese Gespräche wurden von pensionierten Personen geführt, die Mitglieder der Arbeitsgruppe waren. Bei diesen Gesprächen wurden Barrieren identifiziert, die den Zugang zu bestimmten Angeboten erschweren können. So ist es z. B. schwierig, das Dorf zu durchqueren, da es an Ruheplätzen mangelt. Zudem fehlt es an informellen Begegnungen, da sich die Leute im Dorf nicht mehr kennen. RADIX arbeitet gemeinsam mit Sabrina an der Frage, wie diese Ergebnisse genutzt und in konkrete Vorschläge umgesetzt werden können.

Zur gleichen Zeit arbeitet in der Freiburger Gemeinde Marly die Verwaltungsangestellte Florence Bornex im Rahmen des Projekts «SenioraMa» an der Erstellung einer Broschüre für die pensionierten Personen der Gemeinde. Frau Bornex wurde kürzlich zur Senior*innenkoordinatorin ernannt. Ein in Zusammenarbeit mit dem RADIX-Team erstellter Fragebogen, der eine beachtliche Rücklaufquote erzielte, zeigte unter anderem, dass der Anteil der Deutschsprachigen unter der älteren Bevölkerung deutlich höher ist als in der Gesamtbevölkerung von Marly. Obwohl die ältere deutschsprachige Bevölkerung von Marly die französische Sprache mündlich beherrscht, gilt dies nicht für die Schriftsprache. Dies wirkt sich auf die gesamte Kommunikation mit dieser Altersgruppe aus. Um ein breites Publikum zu erreichen, wird die Broschüre daher zweisprachig verfasst. Die Übersetzungen werden von einer Arbeitsgruppe junger Senior*innen durchgeführt. Abgesehen von der Frage der Sprache entspricht die Broschüre auch dem allgemeinen Informationsbedürfnis der älteren Bevölkerung. Die Gemeinde hat immer wieder festgestellt, dass viele Aktivitäten/Dienstleistungen, welche die Gemeinde für ältere Menschen anbietet, wenig bekannt sind und daher kaum genutzt werden. Die Broschüre, die vom Netzwerk der Partner*innen unterstützt wird, wird regelmässig aktualisiert und an ältere Menschen in der Gemeinde verteilt. Sie wird auch zusammen mit einem Biskuit zu jedem Geburtstag ab 65 Jahren verteilt.

Es ist 18 Uhr in Grand-Saconnex. Das Team von RADIX wurde eingeladen, einen Abend zu moderieren, an dem verschiedene Partner*innen der Gemeinde teilnehmen. Eine Checkliste half der Abteilungsleiterin und ihren Mitarbeitenden, die formellen (sozialmedizinische Institutionen, Heime, Spitex, andere Dienste der Gemeinde) und informellen Akteur*innen (Coiffeurgeschäfte, Handel), die mit älteren Menschen in der Gemeinde zu tun haben, zu identifizieren und einzuladen. Diese Personen wurden zu einem Treffen eingeladen, um einen gemeinsamen Blick auf die Problematik der Isolation älterer Menschen zu werfen. Es war das erste Mal, dass diese zwanzig Fachleute in einem Raum zusammenkamen und sich die Zeit nahmen, sich auszutauschen und ihre Erfahrungen zu teilen. Dank der Moderation der RADIX-Mitarbeiterinnen konnten Joël Stamm, Sozialarbeiter der Gemeinde, Silvia Antelo, Sozialarbeiterin für Senior*innen, und Nicole Hauck-Bernard, Leiterin des Sozialdienstes, aktiv an diesem ersten Austausch zwischen den Partner*innen teilnehmen.

Die Verwaltungsorganisation, die Rahmenbedingungen und die Aufgabenteilung mit dem Kanton sind in den drei Gemeinden unterschiedlich. Dennoch ist es allen gelungen, die älteren Menschen einzubeziehen, ihre Ressourcen zu nutzen und ihre Bedürfnisse zu klären. Es wurde auch ein Netzwerk von Partner*innen aufgebaut, das nun von der Gemeinde koordiniert wird. Die Gemeinde lädt regelmässig zu Treffen ein, um Aktionen mit und für ältere Menschen zu unterstützen und mitzugestalten. Durch diese Projekte können sich die drei Gemeinden positionieren und werden von der Bevölkerung und dem Netzwerk als Koordinatorinnen von Initiativen für ältere Menschen wahrgenommen.

Massgeschneiderte Aktionen und Begleitung

Trotz der unterschiedlichen Grösse und politischen Rahmenbedingungen der drei Gemeinden stellten die Projektleiterinnen fest, dass die Anliegen der älteren Menschen sehr ähnlich sind. Aus diesem Grund wurden Treffen organisiert, um sich über den Fortschritt der drei Projekte auszutauschen. «Die interkommunalen Treffen waren sehr bereichernd und wohlwollend. Trotz der geografischen Unterschiede oder der unterschiedlichen Grösse der Gemeinden waren die zentralen Fragen in allen drei Ansätzen die gleichen», betonen die Projektleiterinnen. Die Förderung der Mobilität zur Erleichterung des Zugangs zu Dienstleistungen erwies sich beispielsweise als gemeinsames Anliegen. Bei den halbjährlichen Treffen ermöglichten verschiedene thematische Beiträge den Erfahrungs- und Wissensaustausch zu Themen wie Partizipation älterer Menschen, Kommunikation zwischen den Partner*innen und mit älteren Menschen sowie die Verankerung von Massnahmen und Prozessen auf politischer Ebene. Kantonale Akteur*innen der Gesundheitsförderung für ältere Menschen waren ebenfalls anwesend, um mehr über die Ansätze zu erfahren und ihr Fachwissen zu den verschiedenen Massnahmen einzubringen.

Obwohl es sich um wiederkehrende Probleme handelt, werden Lösungen auf der Grundlage des Vorhandenen und des lokalen Fachwissens entwickelt. So wurde in Riddes im Zentrum der Gemeinde ein Treffpunkt namens «Coin bla-bla» mit entsprechenden Möbeln eingerichtet, der den älteren Menschen einen zentralen Ort bietet, an dem sie sich treffen und eine Pause einlegen können, wenn sie unterwegs sind. Ausserdem steht ein Schulbus zur Verfügung, der die Senior*innen zu den vielen Aktivitäten in der Gemeinde bringt. In Marly erleichtert die Broschüre «SenioraMa» den Zugang zu den zahlreichen Aktivitäten, die bereits organisiert werden. In Grand-Saconnex ermöglicht die Organisation von informellen Treffen im Freien bei den Wohnhäusern statt in der «Ferme Pommier», dem Gemeinschaftshaus der Gemeinde, auch die weiter entfernten Quartiere zu erreichen und so nah wie möglich bei den älteren Menschen zu sein.

Bei all diesen Schritten haben die Gemeinden von der Unterstützung durch RADIX profitiert: «RADIX hat uns geholfen, das Thema und die Herausforderungen älterer Menschen ganz oben auf der Agenda zu halten und kontinuierlich Fortschritte zu erzielen», sagt die Leiterin des Sozialdienstes von Grand-Saconnex.

Enge Begleitung zur gemeinsamen Bewältigung der Herausforderungen

Die Beteiligung älterer Menschen stellt einen erheblichen Mehrwert dar, ist aber für die mit vielfältigen Aufgaben betrauten Fachkräfte keine Selbstverständlichkeit. Vor diesem Hintergrund war es in den Pilotgemeinden ein Erfolgsfaktor, einen klaren Rahmen für die Zusammenarbeit zu setzen und diesen immer wieder in Erinnerung zu rufen. Darüber hinaus hat ein hohes Mass an Transparenz auf der Ebene der Gemeindeverwaltung, insbesondere hinsichtlich der verfügbaren Ressourcen und des Tempos der Massnahmenentwicklung, dazu beigetragen, Spannungen und Frustrationen zu begrenzen.

Die enge Begleitung durch RADIX hat den drei Pilotgemeinden geholfen, das Thema Lebensqualität im Alter drei Jahre lang ganz oben auf der Agenda zu halten und sich trotz ständiger Herausforderungen nicht entmutigen zu lassen. Angesichts der Grösse der Aufgabe und der Ungewissheit der Ergebnisse war es ein ständiges Bestreben, die Motivation der Projektverantwortlichen aufrechtzuerhalten.

Verankerung und Perspektiven

Drei Jahre nach Projektstart werden die Prozesse und Massnahmen, die durch RADIX angestossen wurden, weitergeführt. Zum Abschluss des Projekts fand am 1. Dezember 2023 in Lausanne ein Erfahrungsaustausch statt, bei dem das Engagement der Pilotgemeinden gewürdigt wurde und weitere Gemeinden eingeladen waren, ihre Massnahmen vorzustellen.

Die Begleitung durch RADIX geht weiter: Eine Sammlung von Instrumenten und Best Practices wird ab Januar 2024 zur Verfügung stehen und es anderen Gemeinden in der Westschweiz ermöglichen, sich im Kampf gegen die Isolation älterer Menschen zu engagieren und die Aufrechterhaltung sozialer Bindungen zu fördern. Eine professionelle Begleitung bleibt dennoch wertvoll und RADIX steht mit Unterstützung der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz für eine weitere Zusammenarbeit zur Verfügung.