Treppe oder Aufzug, Früchte oder Schokolade: durch subtile Anreize gesündere Entscheidungen treffen
Wir treffen rund 35’000 Entscheidungen pro Tag. Die meisten davon intuitiv und in Sekundenbruchteilen. Menschen handeln und entscheiden oft aus Gewohnheit, das liegt in unserer Natur. Geht es darum, Gewohnheit zu verändern, tun wir uns oft schwer damit. Die Hürden sind insbesondere dann hoch, wenn die Verhaltensänderung mit persönlichem Aufwand und Verzicht verbunden sind. So ist Treppensteigen zwar gesund, aber wer läuft schon gerne in den siebten Stock, wenn man auch den Aufzug nehmen kann? Wie bringt man in Zeiten der Pandemie gesunde Menschen dazu, sich aus Solidarität gegenüber Risikogruppen impfen zu lassen? Oder warum ordnen Supermärkte ihre süssen Produkte auf Augenhöhe an, während die Kundinnen und Kunden sich für gesündere Alternativen bücken müssen?
Social Marketing und Nudging als Bestandteile des Service public
Grundlegend ist die Erkenntnis, dass Menschen ihre Entscheidungen nicht immer rational treffen, sondern aufgrund der in ihrem Umfeld und ihrer Umwelt liegenden Möglichkeiten. Diese sind so ausgestaltet, dass sie ein bestimmtes Verhalten begünstigen. Gemäss Thomas Mattig, Direktor von Gesundheitsförderung Schweiz, sind «verhaltensorientierte Ansätze in unserem Alltag allgegenwärtig. Sie beeinflussen unseren Lebensstil und unsere Kaufentscheidungen mehr als wir es uns bewusst sind. Mit Nudging kann das Umfeld so gestaltet werden, dass sich Menschen freiwillig für ein gewünschtes Verhalten entscheiden. Dies kann auch für die Gesundheitsförderung genutzt werden.» Der Begriff Nudging stammt aus der Verhaltensökonomie und bildet die Schnittstelle zwischen Psychologie und Ökonomie. Ziel der im Social Marketing eingesetzten Methode des Nudging ist es, Menschen mit indirekten Anreizen und basierend auf psychologischen Mechanismen subtil und ohne ihre freie Wahl einzuschränken, zu einem gewünschten Verhalten zu animieren. Im Zentrum steht die Frage, wie der Mensch dazu motiviert werden kann, Entscheidungen so zu treffen, dass die erwünschte Handlung die einfachste und nächstliegende wird.
Regierungen weltweit nutzen verhaltensbasierte Ansätze, um Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie für den Service public nutzbar zu machen. Das im Auftrag von Gesundheitsförderung Schweiz erstellte Grundlagenpapier «Die Anwendung von verhaltensorientierten Ansätzen auf staatliche Massnahmem» von Prof. Dr. Valéry Bezençon, Professor der Universität Neuenburg, beleuchtet, wie andere Länder gesundheitsförderndes Nudging in den Service public integrieren und welche Erkenntnisse sich daraus für die Schweiz ableiten lassen. Einige Projektverantwortliche, die in der Gesundheitsförderung in der Schweiz tätig sind, wenden das Prinzip des Social Marketing bereits mehr oder weniger bewusst an. Nun geht es darum, über dessen Potenzial als zusätzliches Instrument der Gesundheitsförderung zu reflektieren.
Steuer- und vorhersehbares menschliches Handeln*
Am 27. Januar 2022 fand hierzu die 23. Nationale Gesundheitsförderungs-Konferenz zum Thema «Marketing in der Gesundheitsförderung» statt. An der Online-Konferenz haben die Referierenden das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und aufgezeigt, wie allgegenwärtig verhaltensorientierte Ansätze in unserem Alltag sind, wie sie unsere Entscheidungsarchitektur prägen, wie Nudges aufgebaut und ethisch eingesetzt werden und in welchem Zusammenhang sie zu den neusten Erkenntnissen der Neuropsychologie stehen. Dabei stellte Prof. Dr. Suzanne Suggs von der Universität der italienischen Schweiz das Konzept des Social Marketings vor und veranschaulichte, wie man Verhaltensänderungen erreichen kann. Prof. Dr. Lutz Jäncke von der Universität Zürich ging anschliessend der Frage nach, inwiefern wir aus neurowissenschaftlicher Sicht überhaupt vernünftig entscheiden können. Adrian Kammer vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Dr. Michael Hermann von der Forschungsstelle Sotomo evaluierten die Wirksamkeit der Covid-19-Kampagne des BAG «So schützen wir uns» und Nationalrätin Sophie Michaud Gigon diskutierte mit ihrem Ratskollegen Thomas Burgherr, ob es sich beim Ansatz des Nudging um Manipulation oder Aufklärung handelt.
*Die 23. Nationale Gesundheitsförderungs-Konferenz trug den Titel «Marketing in der Gesundheitsförderung: Von der Wissensvermittlung bis zur Verhaltensänderung». Sie fand virtuell am Donnerstag, den 27. Januar 2022 statt und wurde von Gesundheitsförderung Schweiz und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren zusammen mit santésuisse organisiert. Die Konferenz richtete sich an Fachpersonen für Gesundheitsförderung und Prävention auf nationaler, kantonaler sowie lokaler Ebene, an Vertretende von öffentlichen Institutionen, des Bundes, der Kantone und Gemeinden, an Entscheidungstragende aus Politik und Wirtschaft, an Verantwortliche auf Verbandsebene sowie an wissenschaftliche Fachpersonen.
Weitere Informationen
Für weitere Auskünfte oder Fragen steht Ihnen die Medienstelle von Gesundheitsförderung Schweiz per E- Mail an medien(at)gesundheitsfoerderung.ch zur Verfügung.
Gesundheitsförderung Schweiz
Gesundheitsförderung Schweiz ist eine Stiftung, die von Kantonen und Versicherern getragen wird. Mit gesetzlichem Auftrag (Krankenversicherungsgesetz, Art. 19) initiiert, koordiniert und evaluiert sie Massnahmen zur Förderung der Gesundheit. Die Stiftung unterliegt der Kontrolle des Bundes. Oberstes Entscheidungsorgan ist der Stiftungsrat. Die Geschäftsstelle besteht aus Büros in Bern und Lausanne. Jede Person in der Schweiz leistet derzeit einen monatlichen Beitrag von 40 Rappen zugunsten von Gesundheitsförderung Schweiz, der von den Krankenversicherern eingezogen wird.