Lernen von Corona – was für die Gesundheitsförderung wichtig ist

Bern, 28. Januar 2021. Die Pandemie beeinflusst nicht nur die psychische und körperliche Gesundheit der Schweizer Bevölkerung, sie wirkt sich auch auf die Arbeit der Gesundheitsexpertinnen und -experten aus. Doch welche Erkenntnisse sind besonders relevant und deshalb für eine erfolgreiche Gesundheitsförderung und Prävention entscheidend? Dazu haben sich rund 640 Fachpersonen an der 22. Gesundheitsförderungs-Konferenz online ausgetauscht.
28.01.2021, 09:00
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Wenn die Lebensumstände instabil sind, tragen Wissen und Erfahrungen dazu bei, gute Lösungen zu finden und kluge Entscheide zu treffen: Diesem Grundsatz hat die 22. Gesundheitsförderungs-Konferenz in diesem Jahr mit Referaten und den praxisorientierten Austausch-Räumen rund um COVID-19 gezielt Rechnung getragen. Die Konferenz wurde online durchgeführt.

Die Corona-Krise als Brennglas

Die direkten und indirekten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesundheit sind enorm.  Entsprechend betonte Guido Graf in seiner Begrüssungsrede die Bedeutung von Gesundheitsförderung und Prävention, gerade auch in Zeiten der Pandemie: «Die Faktoren, welche das Risiko für schwere Verläufe von COVID-19 erhöhen, sind dieselben, welche schon immer im Fokus der Gesundheitsförderung und Prävention standen. Unser aller Einsatz ist wichtiger denn je», so der Luzerner Gesundheits- und Sozialdirektor und Stiftungsratspräsident von Gesundheitsförderung Schweiz.

Im Rahmen der Konferenz wurde auch ein Überblick über Ende 2020 vorliegende Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Wohlbefinden, die psychische Gesundheit sowie auf das Bewegungs- und Ernährungsverhalten der Bevölkerung in der Schweiz publiziert. Dieses Dokument hebt hervor, dass die Corona-Krise als «Brennglas» wirkt, weil sie bestehende Tendenzen von Ungleichheit und Vorbelastung verstärkt, die schwere Folgen auf die Gesundheit haben.

Zunahme von depressiven Symptomen

Wertvolle Erkenntnisse liefert in dieser Hinsicht zum Beispiel die Swiss Corona Stress Study unter der Leitung von Dominique de Quervain, der als Professor für Neurowissenschaften und Direktor der Abteilung für kognitive Neurowissenschaften an der Universität Basel tätig ist. Die Studie macht mit regelmässigen Umfragen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Stressempfinden, die Angstgefühle und die depressive Symptomatik sichtbar.

De Quervain zeigte an der Gesundheitsförderungs-Konferenz auf, dass sich der Anteil der Menschen in der Schweiz, der depressive Symptome aufweist, seit dem ersten Lockdown im Frühling 2020 von 9,1 auf 18,4 Prozent verdoppelt hat – laut Professor de Quervain eine besorgniserregende Entwicklung, die noch nicht zu Ende sei. Über alle Befragungszyklen hinweg stellte das Forschungsteam zudem fest, dass Personen, die körperlich aktiv sind und regelmässig Sport treiben, weniger Stress und depressive Symptome aufweisen als die körperlich weniger aktiven – ein Befund, der frühere Erkenntnisse der Gesundheitsförderung stützt.

Die Studie liefert Hinweise, bei welchen Bevölkerungsgruppen die Belastungen besonders gross sind. Betroffen sind vor allem junge Leute, Berufstätige aus Branchen, die von den behördlichen Schliessungen betroffen sind oder deren finanzielle Reserven aufgrund der Einschränkungen abgenommen haben.

Stress, Einsamkeit und deutlich weniger Bewegung

Heute wissen wir, dass Personen mit Vorerkrankungen wie z.B. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder chronischen Atemwegserkrankungen bei einer Corona-Infektion besonders gefährdet sind. Gleichzeitig scheinen die Pandemie und ihre Folgen das Risiko für diese und weitere gesundheitliche Probleme zu erhöhen.

Relevante Fakten liefert hierzu auch der COVID-19 Social Monitor der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Dieser erfasst die Auswirkungen der Pandemie auf die Menschen in der Schweiz oder spezifische Bevölkerungsgruppen. Marc Höglinger, Leiter Versorgungsforschung und Dozent an der ZHAW, hat in seinem Referat dargelegt, dass die Anzahl Personen mit häufigem oder sehr häufigem Stress in Phasen mit behördlichen Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie deutlich ansteigt – allen voran in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen. Sie waren im Lockdown auch besonders häufig von Einsamkeit betroffen. Darüber hinaus zeigt der COVID-19 Social Monitor, dass die Sportaktivitäten im Lockdown deutlich zurückgingen und sich auch nach den Lockerungen im Sommer nicht wieder einpendelten. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung gab an, während ganzer Wochen physisch inaktiv gewesen zu sein.

Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeit der Gesundheitsförderung und Prävention

Auf der Konferenz wurde auch eine Studie der Unisanté in Lausanne vorgestellt. Basierend auf einer Umfrage unter mehr als 100 Fachleuten betonten Karin Zürcher und Andrea Lutz, dass Gesundheitsförderung und Prävention in Zeiten der Pandemie relevanter seien als sonst. Laut den Fachleuten, die an der Studie teilgenommen haben, gilt dies besonders für ältere Menschen, Bevölkerungsgruppen in prekären Situationen und psychisch verletzliche Menschen. Allerdings müssten die Massnahmen und die Kommunikationsmittel den Gruppen entsprechend angepasst, differenziert eingesetzt und die Potenziale der Digitalisierung weiter ausgeschöpft werden.

Von der Praxiserfahrung profitieren

Studien und Umfragen können Vermutungen wissenschaftlich bestätigen. Um ein abgerundetes Bild einer Gesamtsituation zu erhalten, bieten praxisnahe Einblicke eine ideale Ergänzung. Auch diesen Aspekt rückte die Gesundheitsförderungs-Konferenz ins Programm: Der Tessiner Kantonsarzt Giorgio Merlani berichtete über die Erfahrungen und die Lehren, welche der Kanton Tessin aus der COVID-19-Pandemie zieht, um die Gesundheit der Bevölkerung künftig noch besser zu fördern. Und Markus Mader, Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK), zeigte eindrücklich das Potenzial der Vermittlungsarbeit zu Migrationsgemeinschaften auf. Dieses auszuschöpfen ist für das SRK von zentraler Bedeutung, um vulnerable Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund während COVID-19 zu erreichen – so wie dies etwa mit dem Internetportal migesplus.ch geschieht, welches Gesundheitsfachpersonen, Sozialarbeitende oder Multiplikatoren mit Gesundheitsinformationen in 56 Sprachen unterstützt.

Mit diesen Vorträgen, den Fragerunden und dem vertieften Austausch in digitalen Räumen bewies die Gesundheitsförderungs-Konferenz, dass der Wissenstransfer online auf grosses Interesse stösst und funktioniert.

Gesundheitsförderungs-Konferenz

Die 22. Nationale Gesundheitsförderungs-Konferenz fand am Donnerstag, 28. Januar 2021, online zum Thema «Coronavirus und Gesundheitsförderung: Erkenntnisse für die Zukunft» statt. Veranstalter waren die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz und die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren. Im Rahmen der Veranstaltung machte die Stiftung ihr Arbeitspapier «Auswirkungen der Corona-Pandemie auf gesundheitsbezogene Belastungen und Ressourcen der Bevölkerung» bekannt, das unter folgendem Link abrufbar ist: www.gesundheitsfoerderung.ch/arbeitspapier-52

Gesundheitsförderung Schweiz

Gesundheitsförderung Schweiz ist eine Stiftung, die von Kantonen und Versicherern getragen wird. Mit gesetzlichem Auftrag initiiert, koordiniert und evaluiert sie Massnahmen zur Förderung der Gesundheit (Krankenversicherungsgesetz, Art. 19). Die Stiftung unterliegt der Kontrolle des Bundes. Oberstes Entscheidungsorgan ist der Stiftungsrat. Die Geschäftsstelle besteht aus Büros in Bern und Lausanne. Jede Person in der Schweiz leistet einen monatlichen Beitrag von 40 Rappen zugunsten von Gesundheitsförderung Schweiz, der von den Krankenversicherern eingezogen wird.

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