Gesunde Arbeitsbedingungen halten Pflege- und Betreuungspersonal länger im Betrieb

Bern, 9. Februar 2021. Seit Längerem besteht in der Schweiz ein Mangel an ausgebildetem Pflege- und Betreuungspersonal. Hinzu kommt, dass beinahe die Hälfte früher oder später aus dem Beruf aussteigt. Die laufende Anpassung der politischen Rahmenbedingungen benötigt Zeit, um die Ausgangslage für gute Rekrutierungs- und Personalbedingungen zu verbessern. Stationäre und ambulante Pflegebetriebe sind daher um möglichst gute Arbeitskonditionen bemüht. Mit dem BGM-Spezialmodul für stationäre Langzeitpflege und ambulante Pflege durch Spitex-Organisationen steht neu ein branchenspezifisches Instrument zur Verfügung, das die Betriebe bei der Entwicklung von betriebsinternen Lösungsansätzen unterstützt, um so dank attraktiven Arbeitsbedingungen qualifiziertes Personal anzuziehen und zu halten.
09.02.2021, 08:00

Immer mehr Menschen werden zunehmend älter und benötigen aufgrund altersbedingter Begleiterkrankungen oftmals mehr und anspruchsvollere Pflege- und Betreuungsleistungen. Gesunde und motivierte Pflegekräfte, die ihre vielseitige, interessante und sinnstiftende Arbeit gerne ausüben, sind deshalb für Menschen mit Unterstützungsbedarf unverzichtbar. Aktuell steigt jedoch beinahe die Hälfte des Pflege- und Betreuungspersonals mittelfristig aus dem Beruf aus. Die strukturellen Rahmenbedingungen des Pflegeberufs bedeuten sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Betriebe selbst eine grosse Herausforderung. Schichtarbeit, eine hohe Flexibilität und die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielen dabei eine zentrale Rolle. Ein weiterer häufiger Grund für den Berufsausstieg ist emotionale Erschöpfung. So haben engagierte Pflegende angesichts der Herausforderungen und des Zeitdrucks teilweise das Gefühl, die Qualitätserwartungen nicht mehr erfüllen zu können. Solche Belastungen können mit anderen Risiken, wie beispielsweise persönlicher Veranlagung, sozialen Faktoren oder Einflüsse aus der Umgebung, zusammentreffen und die Anfälligkeit für gesundheitliche Beeinträchtigungen erhöhen. Als Folge nehmen die krankheitsbedingten Absenzen zu, was die Situation zusätzlich verschärft. Umso wichtiger ist es für stationäre und ambulante Pflegebetriebe, nicht nur gut qualifiziertes Fachpersonal zu finden, sondern dieses auch gesund und damit im Beruf zu halten. Zu diesem Zweck kann eine Investition in ein nachhaltiges betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) lohnenswert sein.

Den Handlungsspielraum erkennen und nutzen

Die Arbeitsbedingungen in der stationären Langzeitpflege und -betreuung sowie in Spitex-Organisationen sind von zahlreichen externen Rahmenbedingungen geprägt, die auf Betriebsebene kaum beeinflusst werden können. Hier ist die Politik gefragt. Allerdings gibt es verschiedene Themen und Bereiche, bei denen die Betriebe durchaus Handlungsspielraum haben, um positiv auf die Zufriedenheit, Motivation und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden einzuwirken. So können nebst optimierten Dienstplänen auch Faktoren wie Wertschätzung, unterstützendende Vorgesetzte, Entwicklungschancen oder Mitwirkungsmöglichkeiten wichtige Ressourcen im Umgang mit Belastungen sein. Insgesamt tragen diese Aspekte entscheidend dazu bei, wie lange Mitarbeitende in einem Betrieb verweilen.

Ein Befragungsinstrument speziell für die stationäre und ambulante Langzeitpflege und -betreuung

In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und dem Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS sowie der Unterstützung von Expertinnen und Experten aus der Praxis hat Gesundheitsförderung Schweiz ein branchenspezifisches Befragungsinstrument entwickelt, das auf dem bestehenden Online-Befragungstool Friendly Work Space (FWS) Job-Stress-Analysis basiert. Das Spezialmodul für stationäre Langzeitpflege und ambulante Pflege durch Spitex-Organisationen berücksichtigt spezifische Faktoren wie personelle Ressourcen, Dienstplanung, Qualität der Pflege und Betreuung, Rationierung der Pflege, Umgang mit Aggressionsereignissen sowie Weiterbildung und Entwicklung. Mit Unterstützung des Tools können Betriebe ihre Arbeitsbedingungen und das Befinden ihrer Mitarbeitenden besser analysieren und darauf aufbauend gezielte Massnahmen planen und umsetzen.

Die Auswertung der Befragung enthält ausserdem eine Reihe praktischer Tipps zur Reduktion von Stress und zur Stärkung von Ressourcen, die sich direkt an die Mitarbeitenden richten. Weiter umfasst das Angebot neben dem Online-Tool auch einen Handlungsleitfaden, der den Betrieben konkrete Hilfestellungen und Hintergrundinformationen bietet. Der Handlungsleitfaden kann unabhängig von der Befragung von Betrieben genutzt werden, die sich dafür interessieren, gewisse Aspekte ihrer Arbeitsumgebung zu verbessern.

Die beiden Dachverbände Curaviva Schweiz und Spitex Schweiz unterstützen das Angebot und engagieren sich für die Verbreitung. Das neue Spezialmodul steht für Organisationen aus der stationären Langzeitpflege und -betreuung und für Spitex-Betriebe bis Ende Dezember 2021 kostenlos zur Verfügung.

Partizipative und langfristige Ausrichtung als Voraussetzung für nachhaltige Ergebnisse

Über die Online-Befragung, die anonym und während der Arbeitszeit erfolgen soll, erhält der Betrieb ein realistisches Stimmungsbild. Ausserdem fliessen so die Bedürfnisse und Anliegen der Betroffenen direkt in den Veränderungsprozess mit ein, was Voraussetzung ist für ein nachhaltig erfolgreiches BGM. Ziel ist es, jene Handlungsbereiche zu erkennen, in denen mit innerbetrieblichen Massnahmen eine höhere Zufriedenheit der Mitarbeitenden erreicht werden kann.
Um eine langfristige Verbesserung der Arbeitsumgebung zu verwirklichen, sind zwei Grundsätze zentral:

  • Die Verbesserung der Arbeitsumgebung bzw. die Gestaltung attraktiver, gesundheitsförderlicher Rahmenbedingungen ist ein längerfristiger Organisationsentwicklungsprozess, der ein sorgfältiges Projektmanagement und entsprechende Ressourcen erfordert.
  • Die betriebsinterne Verständigung über Arbeitsbedingungen, Belastungen und Ressourcen sowie die Entwicklung von Lösungsansätzen unter Einbezug der betroffenen Mitarbeitenden sind entscheidende Faktoren, um erfolgreiche Veränderungsprozesse anzustossen.
Friendly Work Space Job-Stress-Analysis

Die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz engagiert sich im Rahmen der Umsetzung der Nationalen Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (NCD-Strategie) für die Entwicklung branchenfokussierter Angebote im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement. Friendly Work Space (FWS) Job-Stress-Analysis ist ein Online-Tool, mit dem Unternehmen das stressbezogene Empfinden ihrer Mitarbeitenden erheben können. Die Befragung richtet das Augenmerk auf Ressourcen, auf Belastungen sowie auf Gesundheitszustand und Motivation der Mitarbeitenden. Das Befragungsinstrument ist modular aufgebaut, mit einem Basismodul, fünf allgemeinen Vertiefungsmodulen und derzeit zwei branchenspezifischen Spezialmodulen (Langzeitpflege und -betreuung, Spitex, Schulen).
www.fws-jobstressanalysis.ch

Weitere Informationen

Für weitere Auskünfte oder Fragen steht Ihnen die Medienstelle von Gesundheitsförderung Schweiz per E-Mail medien@gesundheitsfoerderung.ch oder unter der Telefonnummer 031 350 04 62 zur Verfügung.

Gesundheitsförderung Schweiz

Gesundheitsförderung Schweiz ist eine Stiftung, die von Kantonen und Versicherern getragen wird. Mit gesetzlichem Auftrag initiiert, koordiniert und evaluiert sie Massnahmen zur Förderung der Gesundheit (Krankenversicherungsgesetz, Art. 19). Die Stiftung unterliegt der Kontrolle des Bundes. Oberstes Entscheidungsorgan ist der Stiftungsrat. Die Geschäftsstelle besteht aus Büros in Bern und Lausanne. Jede Person in der Schweiz leistet einen monatlichen Beitrag von 40 Rappen zugunsten von Gesundheitsförderung Schweiz, der von den Krankenversicherern eingezogen wird.